Tom van Dutch | Photography

Haludovo Palace Hotel

Haludovo Palace Hotel

Kroatien 🇭🇷

Besucht: 09/2020

Online: 07.01.2021

Dem Architekten Boris Magaš wurde im Frühjahr 1968 die Aufgabe zuteil, den Bau des wahrscheinlich extravagantesten unternehmerischen Projekts zu leiten, das jemals in einem kommunistischen Land durchgeführt wurde.
Ein 25 Hektar großes Grundstück auf der Insel Krk in der Adria wurde ihm dafür zur Verfügung gestellt. Magaš war bereits vor seinem Mitwirken am Projekt Haludovo dafür bekannt, wichtige Gebäude in Jugoslawien entworfen zu haben. Eines davon war beispielsweise das "Revolutionsmuseum" in Sarajevo. Wie bei vielen seiner Aufträge wurde Magaš auch 1968 von Ehefrau und Architektin Prof. Olga Magaš unterstützt.


So entstand nach knapp vier Jahren Bauzeit etwas außerhalb der Küstenstadt Malinska ein Resort, dem es an nichts fehlte. Das Herzstück des Komplexes bildete das Fünf Sterne Palace Hotel. Daneben bestand die Anlage aus dem Tamaris Hotel für etwas weniger finanzstarke Gäste und der Imitation eines Küstendorfes inkl. Hafen, Restaurants und einem möglichst naturecht angelegten Badestrand – heute einer der schönsten Strände Malinskas. Für die Unterhaltung zukünftiger Gäste standen außerdem Tennisplätze, eine Bowlingbahn, eine Minigolfanlage, Wassersportmöglichkeiten, Geschäfte, Saunen und Schwimmbäder bereit. Finanziert wurde das Ganze vom staatlichen jugoslawischen Unternehmen Hoteli Brodokomerc aus Rijeka.

Knapp ein Jahr nach der Fertigstellung des Hotelkomplexes kündigte Brodokomerc überraschend ein Joint Venture mit dem amerikanischen U
nternehmer Bob Guccione an. 45 Millionen US-Dollar investierte der Geschäftsmann in einen 21-jährigen Pachtvertrag für die Hotelanlage. Das entspricht heute etwa 289 Milo. Dollar. Grund für diesen Deal war die Hoffnung, damit viele reiche Kunden aus dem Westen anzulocken. 
Diese Hoffnung sollte erfüllt werden.

Als Gründer und Inhaber des Männermagazins Penthouse – damaliger Hauptkonkurrent von Hugh Heffners "Playboy" – veränderte Guccione das Image des Haludovo Hotelkomplexes grundsätzlich. In nur einem Jahr machte er es zum exklusivsten Luxusresort der östlichen Adriaküste und dem bevorzugten Reiseziel der Reichen und Schönen, Kasinogänger und Politiker aus aller Welt. Eine der größten Veränderungen war sicherlich die Umgestaltung des Atriums in der Mitte des Palace Hotels. Während Magaš dort vor einem Jahr noch einen entspannenden Loungebereich mit hängenden Gärten kreiert hatte, so verwandelte Guccione es nun in sein persönliches "Penthouse Adriatic Club Casino".


50 junge Frauen hatte der New Yorker als Hostessen, Kellnerinnen und Croupiers eingestellt, um seine zukünftigen Gäste zu unterhalten. Alle gekleidet in knappen französischen Dienstmädchenuniformen. Die meisten von ihnen wurden von Penthouse aus Amerika eingeflogen, jedoch arbeiteten auch ein paar einheimische Frauen als "Pets".


Letztere für den Job zu rekrutieren erwies sich besonders zu Beginn als schwierig. Viele Familien sahen einen solchen Job als geschmacklos an und verboten ihren Töchtern, diesen auszuüben. Auch waren sich viele jugoslawische Jobanwärterinnen aufgrund der Arbeitsoutfits und des Penthouse Rufs nicht ganz sicher, was dieser Job alles beinhalten würde und entschieden sich schlussendlich gegen eine Anstellung. Die wenigen, die trotz alledem zusagten, taten dies meist aufgrund des großzügigen Gehalts.

"Pet Mother" Heather Martin zum Beispiel war damals die bestbezahlte Frau in ganz Jugoslawien. In einem Interview mit BBC erklärte die Engländerin 1972, dass der Grund für den holprigen Start mit den einheimischen „Pets“ neben der Sprachbarriere, auch die Tatsache gewesen sei, dass die sexuelle Revolution in Jugoslawien noch nicht stattgefunden hatte. Die Mädchen seien es nicht gewohnt gewesen, ihre Beine zu rasieren oder viel Haut zu zeigen.

Innerhalb kürzester Zeit gelang es Penthouse als Pächter, dem Haludovo Palace Hotel seinen eigenen, unverkennbaren Stempel aufzudrücken. Wie Hauptarchitekt Boris Magaš dem Architekturmagazin "Časopis arhitektura" in einem Interview mitteilte.

Zunächst schien es, als hätte Gucciones Timing nicht besser sein können. 1967 hatte Jugoslawien die Visumspflicht für ausländische Touristen aufgehoben und somit seine Tore zur Welt geöffnet. Drei Jahre später, im Mai 1970, öffnete der Rijeka International Airport auf Krk seine Pforten – nur 12 Minuten vom Hotel entfernt.

Auch für die Eröffnung eines Kasinos in Jugoslawien war der Zeitpunkt gut gewählt. Da sich das Land mit der Glücksspielindustrie kaum auskannte, profitierten Kasinobesitzer zu dieser Zeit von der Tatsache, dass man ihr Geschäft nicht besteuern konnte, weil es noch kein Gesetz gab, auf dessen Grundlage eine solche Besteuerung hätte erfolgen können.

So stand einer erfolgreichen Eröffnung nichts mehr im Weg. Am 15. Juni 1972 war es soweit. Guccione hatte die Presse, einige hohe Tiere der jugoslawischen Regierung und sogar bereits einige amerikanische Gäste zur Einweihungsfeier eingeladen. Diese ging laut einem Fernsehbericht der BBC allerdings eher kläglich zu Ende. Zwar wurden die Spieltische im Kasino feierlich eingeweiht und Guccione konnte stolz seine Armee an Penthouse „Pets“ präsentieren, doch nach seiner Eröffnungsrede auf der Terrasse des Palace Hotels mussten die zahlreichen Gäste vor einem adriatischen Wolkenbruch flüchten. Anschließend fiel der Strom aus und das Hotel lag in absoluter Dunkelheit.


Nach der Eröffnung stellte sich sofort der Erfolg ein. Ab dem 3. Juli 1972 landete jeden Mittwoch eine Boeing 737 mit 150 - 170 ausländischen Gästen am Rijeka International Airport. Dafür hatte Guccione allerdings auch über 500.000 US-Dollar in großflächige Werbung investiert. Beispielsweise publizierte Penthouse in seiner Juni-Ausgabe einen ausführlichen Artikel über das "Penthouse Adriatic Club Casino" auf vier Doppelseiten.


Natürlich wusste Guccione auch diesen Medienwirbel zu seinem Vorteil zu nutzen. Bald schon verbreitete sich die Nachricht, der millionenschwere Verleger hätte das Projekt Haludovo nur in Angriff genommen, um seinen Teil zum Weltfrieden beizutragen. Ost und West, langjährige Feinde des kalten Krieges, sollten im unerwartet kapitalistischen Luxus des sozialistischen Jugoslawiens zusammenkommen und bemerken, dass sie doch gar nicht so verschieden waren.


Bald schon hatte sich die Hotelstadt Haludovo zu einem prestigereichen, dekadenten Luxusresort entwickelt, welches prominente Gäste aus aller Welt nach Malinska lockte.

Neben dem schwedischen Premierminister Olof Palme, seinem italienischen Pendant Silvio Berlusconi oder Henry Ford II (dem damaligen Präsidenten der Ford Motor Company) war Iraks Präsident Saddam Hussein wohl einer der bekanntesten Gäste des Hotels. Als Ehrengast des Hotels soll er mehrere Nächte in der Deluxe Mahagoni Suite verbracht haben, angeblich mit einem Penthouse Model. Bekannt ist auch sein legendäres Trinkgeld an eines der Penthouse „Pets“ in Höhe von 2000 US-Dollar. Eine weitere Geschichte aus der damaligen Klatschpresse gibt an, dass Husseins Rückflug nach Bagdad anscheinend verschoben werden musste, weil sein Sohn seine goldene Pistole unter dem Kopfkissen in seiner Suite vergessen haben soll.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich herausstellte, dass ein derart dekadenter Lifestyle schwer aufrecht zu erhalten war. Knapp ein Jahr nach seiner Eröffnung ging das Penthouse Adriatic Club Casino pleite und musste schließen. Mit dem Kasino verschwand auch Guccione von der Bildfläche. Die Hotelanlage jedoch blieb weiterhin unter der Leitung des jugoslawischen Arbeiterrats bestehen. Denn auch wenn Guccione vor Presse und Gästen gerne so auftrat, als ob der gesamte Hotelkomplex ihm gehörte, so verbat es ihm doch das jugoslawische Wirtschaftsmodell der Arbeiterselbstverwaltung das Resort direkt zu besitzen oder zu leiten.


Trotz der Tatsache, dass der Hotelkomplex ohne das Penthouse-Label den Schlagzeilen mehrheitlich fernblieb, behielt er seinen Status eines high-end Resorts. Die Gäste blieben nicht aus und auch die Prominenz hatte dem Palace Hotel noch nicht den Rücken gekehrt. So drehte beispielsweise der brasilianische Fussballspieler Pelé auf dem Hotelgelände einen Werbespot für Pepsi. Den bosnischen Sänger-Songwriter Kemal Monteno traf man 1974 zusammen mit der damaligen Miss Adriatic am Pool des Palace Hotels und der Bürgermeister von Zagreb entschloss sich, sein Meeting mit einer Delegation kalifornischer Beamter bzgl. einer Zusammenarbeit im Tourismussektor im Haludovo Resort abzuhalten.


Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in den späten 80er Jahren hatten Unruhen in Jugoslawien zu bewaffneten Konflikten geführt. 1991 war das Land schließlich vollends dem Krieg verfallen. Was später als Jugoslawienkriege oder auch Balkankriege in die Geschichte eingehen sollte, führte zunächst einmal dazu, dass Jugoslawien mit dem Tourismus sein wirtschaftliches Hauptstandbein verlor. Unzuverlässige Flughäfen, durch die Straßen rollende Panzerfahrzeuge und der konstante Geruch von Gefahr und Schießpulver in der Luft sprachen nicht gerade für ein erholsames Urlaubsziel. Doch der nun leerstehende Hotelkomplex Haludovos erwies sich als nützlich. Bald schon wurde er zur Notunterkunft für Kriegsflüchtlinge.


Knapp vier Jahre später hatte sich Jugoslawien in seine Teilrepubliken aufgelöst. Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina wurden ab sofort als eigenständige Länder anerkannt. Mit dem Kriegsende wurden auch die Flüchtlingslager aufgelöst und die temporären Bewohner des Haludovo Resorts erhielten Anweisungen, ihre vorübergehende Unterkunft zu verlassen. Viele Familien jedoch weigerten sich, den Hotelkomplex einfach so wieder freizugeben und mussten schließlich zum Ausziehen gezwungen werden. In ihrer Frustration ließen sie so ziemlich alles mitgehen, was nicht niet- und nagelfest war. Elektrogeräte, Wertsachen, Möbel – ja sogar Heizkörper, Kupferkabel, Steckdosen und Rohre fanden auf diese Weise einen neuen, unrechtmäßigen Besitzer.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde der Hotelkomplex grob aufgeräumt und notdürftig neu möbliert, um erneut Gäste beherbergen zu können. Das Resort wurde außerdem privatisiert und fiel so in die Hände des kroatischen Privatisierungsfonds. Franjo Tuđman, erster Präsident des neu unabhängigen Kroatiens benutzte diesen jedoch eigennützig dafür, staatliche Unternehmen wie die Hotelstadt Haludovo an Freunde und treue Unterstützer zu "verschenken". So funktionierte er kurzerhand den 1991 entstandenen Ableger der Firma Brodokomerc in die Aktiengesellschaft Hoteli Haludovo Malinska d.d., kurz HHLD, um.

Die damals etwa 27 Millionen Euro schweren Aktien vergab er anschließend an seine Fürsprecher. Diese ahnten jedoch nicht, dass ihre neuen Wertpapiere in nur wenigen Jahren noch nicht einmal halb so viel wert sein würden.

Ein Jahr später fiel ein Grossteil der HHLD Aktien in die Hände des Unternehmers Bozidar Androcec. In einem Deal mit Tuđman wurde festgelegt, dass Androcec nach einer Anzahlung in Höhe von 2 Millionen Euro seine Aktien in Raten abbezahlen würde. Allerdings hatte der Geschäftsmann nie die Absicht, sich an diesen Deal zu halten. Stattdessen verkaufte er neun Gebäude der Haludovo Immobilien für 5,1 Mio. Euro, welche er an seine eigene Firma, Boman AG überwies. 1999 hatte Androcec auf diese Weise fast 30% seines Aktienanteils am Haludovo Hotel liquidiert, um seine persönlichen Schulden zu tilgen. Eine Ratenzahlung dafür bekam Tuđman nie zu sehen. Auch nicht, nachdem die Behörden intervenierten und Androcec zumindest davon abhielten, dass einst so prunkvolle Haludovo Grundstück weiterhin zu zerlegen und verkaufen.

Unterdessen war das Haludovo Palace Hotel noch immer in Betrieb, hatte allerdings sehr mit dem Mangel an ausländischen Gästen zu kämpfen. Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass das Hotel seine letzten Gäste an Neujahr 2002 empfangen hat.
Danach musste es gezwungenermaßen seine Tore schließen. 


Während der 2000er Jahre wurde der armenisch-russische Unternehmer Ara Abramyan zum Mehrheitseigentümer der Aktiengesellschaft Hoteli Haludovo Malinska d.d. Trotz mehrerer Bitten seitens der kroatischen Präsidentschaft vernachlässigte der damalige UN-Sonderbotschafter es, das Hotelareal durch Umbau oder Renovierung wiederzubeleben. Stattdessen überließ er das ehemalige Luxusresort Vandalen, Landstreichern, Graffitikünstlern und Urban Explorern bis auch die letzte Glasscheibe in Scherben am Boden lag und die Natur die Betonstadt langsam wieder zurückeroberte.

Erst 2018 startete Abramyan schließlich einen halbherzigen Versuch, das, was vom einstigen Luxushotel noch übrig war, zu renovieren. Sein Projekt sah den Bau von 750 Wohnungen und einem Hotel mit 250 Betten vor.

Bei einer öffentlichen Anhörung im November wollte der Russe die Bevölkerung Malinskas von seinem Vorhaben zu überzeugen. Unglücklicherweise beinhaltete dies auch die Forderung nach der Privatisierung der kilometerlangen Küste vor Haludovo.

Wer für das schnelle Scheitern dieses Plans verantwortlich ist, darüber lässt sich streiten. Während Abramyan behauptet, die Schuld liege beim Staat, der sich weigerte, ihm für seine Investitionspläne die Konzession für den Strand zu erteilen, schiebt Malinskas Gemeinderat Robert Kraljić die Verantwortung zurück auf Abramyan. Niemand würde ihn schließlich daran hindern, sein Vorhaben auch ohne die Privatisierung des Strandes umzusetzen. Es erübrigt sich, zu sagen, dass sich die beiden Parteien nicht auf einen Kompromiss einigen konnten. 

Heute ist das Haludovo Palace Hotel eine Ruine und wird weiterhin dem Verfall überlassen.

Eine Zeitung aus Österreich bezeichnet das Hotel als „Berühmtesten Lost Place Europas“.

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